Dehnung im Zusammenhang mit Sport – Wir klären auf!
erstellt am 30.07.2020 von Jessica Müller (Dipl. Sportwissenschaftlerin)
Ziel des Dehnungstrainings 4, 5, 6, 8
- Beweglichkeit verbessern, im engeren Sinne Beweglichkeitsumfang / ROM erweitern und verbessern; Dehnungstoleranz steigern
- durch dynamisches Dehnen Verbesserung der inter- und intramuskulären Koordination + Anregung des Stoffwechsels
- viskoelastischen Eigenschaften des Muskels fördern
- Dehnungstraining = Ergänzungstraining
Methoden des Dehnungstrainings 5, 6
- Unterteilung in:
- kurzfristiges Dehnen (einmaliges 5 – 10 minütiges Dehnen; unregelmäßige Anwendung)
- langfristiges Dehnen (tägliches bzw. mindestens 2-3x wöchentliches 5-10 minütiges; über mehrere Wochen regelmäßige Anwendung)
Dehnungsmethoden:
Statisches Dehnen |
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Dynamisches Dehnen (schwingend, rhythmisch, ballistisch, intermittierend) |
Auswirkungen von Dehnungsübungen vor/nach dem Sport 1, 3, 4, 6
- intensives kurzzeitiges statisches Dehnen führt vor einem Krafttraining zu signifikanten negativen Leistungseinschränkungen (Leistungsminderung in Maximalkraft + Sprungkraft)
- kurzzeitiges dynamisches Dehnen ist vor dem Sport mit einer Erwärmung vergleichbar und sollte v.a. bei nachfolgenden dynamischen und schnellkräftigen Bewegungen eingebunden werden
- kurzzeitiges dynamisches als auch statisches Dehnen führt nach dem Sport nachweislich zu keinem nachhaltigen Effekt; eher subjektive Wahrnehmung der Entspannung
- langfristiges dynamisches + statisches Dehnen in Verbindung mit dem sportlichen Training ratsam als gesonderte Trainingseinheit (z.B. 6 Phasen-Dehnung) zur Verbesserung der Beweglichkeit, intra- + intermuskulären Koordination, Verbesserung der Kraftfähigkeiten etc.
Mythos „Dehnung schützt vor Verletzungen!“ 1,3,4
- keine einheitliche wissenschaftliche Meinung vorhanden
- Studien belegen sowohl einen positiven Effekt als auch einen negativen Effekt
- Verletzungsprävention durch Vordehnen nicht eindeutig nachgewiesen
- Dehnen vor dem Sport: eher Verletzungserhöhung; besser: Aufwärmen der Muskulatur
- kurzfristiges Dehnen nach dem Sport: subjektives Entspannungsempfinden / kein nachweislicher Effekt für Verletzungsprävention (Vgl. Auswirkungen von Dehnungsübungen)
Mythos „Dehnung verhindert Muskelkater!“ 3, 6, 7, 8
- kein einheitlicher wissenschaftlicher Nachweis von Dehnmaßnahmen zur Prävention von Muskelkater
- Muskelkater = Verletzung innerhalb des Muskels (Sarkomer) v.a. nach exzentrischen Belastungen (Bsp. Treppen abwärts laufen; Sprünge; abbremsenden Bewegungen) à negativen Begleiterscheinungen lassen sich durch kurzzeitiges Dehnen nicht verhindern – eher verstärkende Wirkung (Vgl. Auswirkung vor dem Sport)
- schmerzender Muskel (Muskelkater) sollte zudem nicht gedehnt oder mittels Faszienrolle therapiert werden > dadurch Verstärkung der „Verletzung“ innerhalb des Sarkomers >>> (Empfehlung: moderates, intensitätsarmes Training, v.a. Ausdauer)
Mythos „Dehnung senkt die erhöhte Spannung des Muskels (Ruhespannung/ Muskeltonus) 6, 7
- Kurzfristiges Dehnen: keine langanhaltende Senkung der Ruhespannung des Muskels; die kurzzeitige nachgewiesene Senkung der submaximalen Ruhespannung des Muskels ist eher einem Aufwärmeffekt zuzuschreiben)
- Langfristiges Dehnen: keine nachweisliche Senkung der Ruhespannung bei langfristigem Dehnen/ sogar teilweise Erhöhung der Ruhespannung
- Muskelentspannung v.a. durch Anspannungs-Entspannungs-Techniken (Progressive Muskelrelaxation; Autogenes Training) – siehe Kursangebote im Bereich CLUB AKTIV (zum Link)
- Entspannungsformen wie Wärmebehandlungen (z.B. Fango), Sauna etc.
- Faszientraining (myofasciales Lösen von Verklebungen/ Körperwahrnehmungsübungen – Propriozeptives Refinement) – siehe Kursangebote im Bereich CLUB AKTIV (zum Link)
Mythos „Muskuläre Dysbalancen können durch Dehnen ausgeglichen werden!“ 6, 9
- regelmäßiges Dehnen vergrößert die Dehnungstoleranz und Bewegungsreichweite, hat aber keinen Einfluss auf die Muskelspannung >>> beseitigt keine muskulären Dysbalancen
- Bsp: Brustmuskel (Schultergelenk) ist in der Bewegung eingeschränkt und besitzt hohe Ruhespannung; es scheint eine „Verkürzung“ des Muskels vorzuliegen, einhergehend mit fehlender Bewegungsreichweite und Dehnungstoleranz
- Behebung des Problems eher durch Kräftigung des Antagonisten (Gegenspieler = oberer Rücken)
- Dehnung sollte als unterstützende Maßnahme dienen um arthromuskuläre Balancen wiederzuerlangen (= volle Beweglichkeit z.B. im Schultergelenk)
Fazit – Praktische Trainingsempfehlungen vom Club Aktiv Team
„Nicht immer dehnen, aber wieder einmal öfter!“
- langfristiges Dehnen = regelmäßiges (täglich bis 3x wöchentliches) Dehnen hat den größten Effekt
- kurzfristiges dynamisches Dehnen empfiehlt sich gerne mal vor dem Sport mit dem Ziel der Erwärmung
- Dehnungstraining sollte regelmäßig als gesonderte Einheit eingebunden werden
- Dehnungsmethode?
- Empfehlung der myofascialen Intensivdehnung = 6 Phasen-Dehnung
- Verbindung von verschiedenen Dehnungsmethoden in einer Übung, Adduktorendehnung (Adduktoren – Übung)
Interesse geweckt?
- Präventionskurs „Intensivdehnung“ / „Intensivdehnungskurse“ 1x/Woche á 60min, 2x jährlich im CLUB AKTIV
- gezielte Muskelgruppen für ein langfristiges effektives Dehnungstraining können bei unseren Sporttherapeuten erfragt werden
Quellennachweis:
1Begert & Hillebrecht (2003). Einfluss unterschiedlicher Dehntechniken auf die reaktive Leistungsfähigkeit. Spectrum, 15 (1), 6-25.
2Covert, C.A., Alexander, M.P., Petronis, J.J., & Davis, D.S. (2010). Comparison of ballistic and static stretching on hamstring muscle length using an equal stretching dose. Journal of Strength and Conditioning Research, 24(11), 3008-3014.
3Herbert, R.D. & Gabriel, M. (2002). Effects of stretching before and after exercising on muscle soreness and risk of injury. ystematic review. BMJ, 325, 1-5.
4Freiwald, J. (2020). Optimales Dehnen. Sport – Prävention – Rehabilitation. Balingen: Spitta.
5Klee, A. / Wiemann, K.: Biologische Grundlagen zur Wirkung der Muskeldehnung. In: Cachey, K. / Halle, A. / Teubert, H. (Hrsg.): Sport ist Spitze. Reader zum Sportgespräch / 18. Internationaler Workshop am 16. und 17. Juni 2003 in Oberhausen. Aachen: Meyer & Meyer, 2004, S. 88 – 102.
6Klee, A. (2003): Methoden und Wirkungen des Dehnungstrainings. Die Ruhespannungs-Dehnungskurve – ihre Erhebung beim M. rectus femoris und ihre Veränderung im Rahmen kurzfristiger Treatments. Habilitationsschrift. Verlag K. Hofmann, Schorndorf.
7Klee, A. (2013). Update Dehnen. Sportunterricht, 62 (5), 130-134.
8Schuber, A. (2020). Die Rolle des Dehnens in der orthopädischen Sport- und Bewegungstherapie. Bewegungstherapie und Gesundheitssport, 36 , 107-111.
9Wiemann, K. (2001). Arthromuskuläre Balance und aufrechte Haltung (Teil II). Bergische Universität – Fachbereich: Bewegungslehre. Zugang am 29.07.2020: https://docplayer.org/64997695-Arthromuskulaere-balance-und-aufrechte-haltung.html